Liebe Menschen in der Kirchengemeinde St. Johannis!

Manchmal fühlt man sich als ein Getriebener. In diesen Tagen von der nur schwer auszuhaltenden Frage, wann wir denn und v.a. wie wir denn wieder miteinander Gottesdienst feiern können. Ich freue mich ja über den Wunsch, wenn er denn aus der Gemeinde auch nur vereinzelt an mich herangetragen wird, so doch, wie ich glaube, viel mehr getragen ist von dem Wunsch nach Normalität in Zeiten, in denen eben nichts normal ist und es fraglich ist, ob es denn jemals wieder normal wird.

Die Meinung geht aber dahin, wenn Läden und Einkaufscenter, die ja auch aus Läden bestehen, wieder aufmachen dürfen, Fußballspiele der Bundesliga - wenn auch nur als Geisterspiele - sogar wieder stattfinden sollen, dann sollen doch bitte schön auch wieder Gottesdienste stattfinden dürfen.

In dieser Woche wird es auf verantwortlicher Ebene darüber Gespräche geben, ob oder unter welchen Bedingungen im Moment überhaupt Gottesdienste, in Kirchen, Synagogen und Moscheen, wieder gefeiert werden können.

Nun, einige Bundesländer sind ja schon weit vorgeprescht und probieren verschiedene Konzepte aus. Das Bundesland Sachsen beispielsweise, aber unter strengen Auflagen und unter klar definierten Abstandsregeln mit maximal 15 Teilnehmern, die sich vorher online oder telefonisch angemeldet haben müssen. Auch in Thüringen wurden schon wieder Gottesdienste gefeiert.

In Brandenburg sind ab dem 4. Mai wieder Zusammenkünfte in Kirchen, Synagogen oder Moscheen mit maximal 50 Teilnehmern möglich. Die Veranstalter müssten dabei sicherstellen, dass die Hygienestandards eingehalten werden. Brandenburg schließt sich damit der Regelung in Berlin an, wo ebenfalls ab dem 4. Mai wieder Gottesdienste erlaubt sind.

Die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen hatte am Donnerstag angekündigt, ab dem 1. Mai unter Auflagen wieder öffentliche Gottesdienste zu erlauben. Die Kirchen und Religionsgemeinschaften haben dazu umfassende und präzise Schutzkonzepte vorgelegt.

Einwände dagegen gibt es natürlich auch. Einige liegen auf der Hand. Wir feiern in der Gemeinschaft und da können wir doch niemanden ausschließen, der sich z.B.nicht angemeldet hat. Und man darf auch fragen, ob eine gottesdienstliche Feier mit Zugangsbeschränkung, Abstandswahrung, Mundschutz, vielleicht Handschuhen und Anwesenheitslisten wirklich erbaulich ist und die so, wenn sie denn nur so gefeiert werden kann, dazu beiträgt die lebensbedrohliche Ansteckungsgefahr einzudämmen. Und was ist mit dem Singen? Beim Singen ist die Gefahr der Tröpfcheninfektion größer als beim normalen Sprechen, weil viel stärker ausgeatmet wird. Gottesdienste ohne Singen? Können wir das Singen ersetzen? Fragen über Fragen!

Klar, wir wollen (alle) wieder miteinander feiern aber vielmehr noch, alles soll wieder normal sein.

Wir bewegen uns auf dünnem Eis, sagt die Bundeskanzlerin und gibt allen Länderregierungen mit auf den Weg, nicht zu schnell zu viel zu wollen. Vielleicht doch einen Gang zurück schalten, Besonnenheit hervortreten lassen, ein gutes Buch lesen, am Sonntagmorgen den Fernsehgottesdienst schauen oder einen anderen Kanal aufrufen. Es gibt soviel Geistreiches zu sehen und zu hören. Das Gegenteil trifft natürlich auch zu.

Verstehen Sie mich nicht falsch, ich feiere gerne Gottesdienst. Das wissen Sie. Und ich vermisse das auch sehr. Aber bitte, lassen Sie uns das Ziel nicht aus den Augen verlieren. Unsere Gesundheit!

Ich gebe Ihnen heute einen Gedanken aus dem Predigttext, der für den gestrigen Sonntag vorgesehen war, mit auf den Weg:

„Christus hat für euch gelitten und euch ein Vorbild hinterlassen, dass ihr sollt nachfolgen seinen Fußstapfen.“ Auch wenn diese Fußstapfen uns zu groß erscheinen: wir sollen Christus in seinem Leiden nachfolgen. Mit seinem Leiden hat er uns ein Vorbild hinterlassen, wörtlich übersetzt müsste man genauer sagen: eine Vorlage hat er uns gegeben. Es geht nicht darum, im Einzelnen nachzuahmen, was Jesus getan hat, sondern sich im Leiden nach dem Muster zu richten, das wir in Jesus haben.

Ich verstehe das so: Jesus hat nicht gelitten um des Leidens willen, sondern er hat für uns gelitten. So hat auch für uns Christen das Leiden keinen Selbstzweck, sondern es soll hilfreich sein für andere. Es geht nicht darum, sich selbst zu quälen, Masochismus ist niemals eine christliche Tugend. Es geht vielmehr darum, anderen zugute auch Leiden in Kauf zu nehmen. So liegt auf dem Leiden Gottes Gnade und Segen. Kurz vorher heißt es: „Wenn ihr leidet und duldet, weil ihr das Gute tut, ist dies Gnade bei Gott.“ Das Gute tun: darauf kommt es hier an. Wenn wir das Gute tun, und das führt uns in das Leid, dann gehen wir in den Fußstapfen Christi. Vielleicht tun wir ja Gutes, wenn wir (noch ! ) zuhause bleiben.

Erinnern Sie sich an das Mutmachlied aus Italien (Andrà Tutto Bene), von dem ich letzte Woche erzählt habe? Haben Sie es sich einmal angehört? Ich mag den Klang italienische Lieder!

So ein Mutmachlied gibt es auch in Spanien, dort heißt es Resistiré - „Ich werde widerstehen“!

Geben Sie doch mal dieses Wort in die Suchleiste Ihres Browsers ein, dann kommen lauter fröhliche Menschen, die aus ihrem Homeoffice heraus dieses Lied zusammen gemacht haben, um sich nicht unterkriegen zu lassen.

Die Auslandspastorin Heike Stijohann erzählt in der „Evangelischen Zeitung“ aus ihrer Gemeinde auf Mallorca. Ihr Pfarrhaus liegt in El Arenal, dem Stadtteil von Palma de Mallorca, in dem sich auch der Ballermann befindet. Dieser Name wird Ihnen bekannt sein, auch wenn Sie noch nie auf Mallorca gewesen sind.

Die Kollegin berichtet: „Wenn man auch sonst kaum in die Öffentlichkeit darf, so ist in der Krise doch eine neue Tradition entstanden. Um Punkt acht Uhr abends gehen Türen und Fenster auf, die Bewohner treten auf den Balkon oder steigen auf die Flachdächer der Häuser und klatschen für die Pfleger und Mediziner. Und dann tanzen sie zu dem Lied „Resistiré“….“

Ich werde widerstehen, um weiterzuleben

Resistiré, para seguir viviendo

Ich werde die Schläge ertragen und niemals aufgeben

Soportaré los golpes y jamás me rendiré

Und selbst wenn meine Träume in Stücke zerbrochen sind

Y aunque los sueños se me rompan en pedazos

Ich werde widerstehen, ich werde widerstehen

Resistiré, resistiré

Mittlerweile kennen wir diesen Brauch. Sie haben sicher auch schon davon gehört. In vielen Ländern wird das so gemacht. Und ganz sicher haben alle, die in dieser schweren Zeit ihren Beitrag zur Eindämmung des Virus leisten, Lob und Anerkennung mehr als verdient. Lassen Sie mich sagen, dass sich das auch in Geld ausdrücken muss.

Aber die Menschen in vielen Ländern können ihre Anerkennung eben erstmal nur so ausdrücken, wie es Frau Pastorin Stijohann von Palma de Mallorca beschrieben hat. Sie klatschen und tanzen zu dem Lied „Resistiré“.

Den Wunsch, zurück zu kehren zur Normalität, den kann ich gut verstehen. Aber wir sollten auch mit bedenken, dass wir vielleicht nicht mehr zur alten Normalität zurückkehren können. Die Zeit danach, nach Corona, wird anders sein, wird anderes von uns erwarten, als das was war. Und das nicht nur bei uns in der Kirche, nicht nur in unseren Gottesdiensten, auch in der Schule, in den Krankenhäusern und in den Alten - und Pflegeheimen und auch in der Wirtschaft.

Soziale Distanz macht krank, sich nicht berühren dürfen, macht krank. Für jede Art von Beziehung ist das wichtig. Sie muss so schnell wie möglich aufgehoben werden - aber eben nicht um jeden Preis.

Liebe Menschen in unserer Gemeinde!

Ich hoffe, es geht Ihnen gut und Sie sind gesund. Von Vielen weiß ich das auch und es freut mich sehr. Bei uns in der Gemeinde sind die meisten auch gut organisiert. Die Familien sind oft füreinander da, ebenso die Nachbarn und die Freunde.

Wenn das bei jemandem nicht so sein sollte, rufen Sie uns gerne an. Wir, die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Kirchengemeinde, sind ebenso alle für Sie da, auch wenn Sie ganz andere Dinge auf dem Herzen haben.

Ich wünsche Ihnen wieder eine schöne Woche, wir werden sehen, was Sie bringt!

Bleiben Sie behütet, handeln Sie besonnen und achten Sie auf Ihren Nachbarn!

Ihr Pastor

Henry Koop