Liebe Menschen in der Gemeinde und darüber hinaus!
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Jetzt feiern sie alle Ihre runden Geburtstage. Gestern wurde Bob Dylan 80 Jahre alt. Ich bin - auch wenn ich fast 20 Jahre jünger bin als er - mit seinen Liedern aus den 60/70ern aufgewachsen. Und in seinem Gefolge natürlich mit den Liedern von Joan Baez, Donovan, Cat Stevens, Leonard Cohen und unter den deutschsprachigen Liedermachern waren es Hannes Wader, Ulrich Roski, Konstantin Wecker, Reinhard May u.a.
In den 70ern haben wir ihre Lieder, auf dem Garagenboden sitzend, zur Gitarre gesungen und dazu in die Mundharmonika mehr schlecht als recht geblasen. Ob es schön war, weiß ich nicht mehr, aber wir fingen an darüber nachzudenken, dass wir die Welt verändern wollen und müssen. Es kann so nicht weitergehen. Ob es die beiden Ölkrisen waren, der immer noch andauernde Vietnamkrieg, die ständige Auseinandersetzungen zwischen Israel und den Palästinensern, der deutsche Herbst oder der Nato Doppelbeschluss. Überall gab es Feindschaft und die Welt wurde mit Krieg bedroht. Da waren die Antikriegslieder gerade richtig, um die Angst zu kanalisieren.
Vor 60 Jahren - also 20 Jahre nach der Geburt von Bob Dylan - wurde eine Organisation gegründet, die es eigentlich schon immer hätte geben müssen – und der man gleichzeitig wünscht, dass sie eines Tages überflüssig sein wird: Amnesty International.
Die Organisation tritt ein für Menschenrechte, egal wo, egal gegenüber wem. Aber immer: Für.
Für Menschen, die unmenschlich behandelt werden. Für Menschen, die mundtot gemacht werden, die gefoltert werden, die verschwinden in Lagern oder Gefängnissen. Für Menschen, deren Peiniger sich aller Gerichtsbarkeit zu entziehen versuchen
Dem Gründer von Amnesty International, Peter Benenson, ist übrigens in der Kirche St. Martin in the Fields in London diese Idee gekommen. „Wenn eine einzelne Person protestiert, bewirkt das nur wenig, aber wenn es viele Leute gleichzeitig tun würden, könnte es einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen.“
Am 28.Mai1961 veröffentlichte er einen Artikel mit dem Titel „The Forgotten Prisoners“, Die vergessenen Gefangenen. Er beginnt mit den Worten: „Schlagen Sie Ihre Zeitung an irgendeinem beliebigen Tag auf, und Sie werden eine Meldung aus irgendeinem Teil der Welt lesen: Ein Mensch ist eingekerkert, gefoltert, hingerichtet worden, weil seine Ansichten oder religiösen Überzeugungen nicht mit denen der Regierung übereinstimmen.“ Dann fordert er die Leserinnen und Leser auf, Briefe an die jeweiligen Regierungen zu schreiben, in denen sie die Freilassung politischer Gefangener fordern. Viele Briefe, so war sein Gedanke, könnten nicht so leicht ignoriert werden wie ein paar einzelne Protestnoten. Vor 60 Jahren – und der Zeitungsartikel könnte heute genauso beginnen.
Damals fand der Artikel eine überwältigende Resonanz, sodass aus der zunächst als einmalig geplanten Kampagne eine feste Organisation wurde, die inzwischen weltweit über sieben Millionen Mitglieder, Unterstützerinnen, Mitarbeiter hat.
Waren es früher Briefe und Postkarten, die von vielen Einzelnen geschickt wurden, so kommen heute E-Mails dazu. Weiterhin ist die Idee: Es hat Folgen, wenn viele sich engagieren, wenn viele Menschen zeigen: Wir sehen. Wir hören. Wir handeln. Es ist nicht egal, was Menschen anderen Menschen antun. Wie aktuell diese Organisation gerade wieder gebraucht wird, können wir dieser Tage erleben mit der Entführung des weissrussischen Oppositionellen Roman Protassewitsch, den der Diktator Lukaschenko einfach mal weggefangen hat. Aber es sind nicht nur Diktatoren, die die Menschenwürde mit Füßen treten. Wir sollten wachsam sein.
Das Logo von Amnesty International ist eine brennende Kerze inmitten von Stacheldraht.
Diese Amnesty-Kerze erinnert mich an einen Satz, den Jesus gesagt hat: „Ihr seid das Licht der Welt.“
Ein erstaunlicher Satz. Man könnte denken: völlig überkandidelt. Die paar Menschen, die ihm damals zuhörten? Wir – auch nicht gerade die Bestimmer der Weltpolitik – wir: Licht der Welt?
Sie kennen das: Schon eine einzelne Kerze kann einen Raum erhellen, und viele können zusammen wirklich Licht für viele und vieles sein.
Wir. Wir zusammen, wir jede einzeln, gemeinsam. Wir müssen nicht die Flutlichter sein, die Kerze genügt. Viele davon erhellen, sogar die Welt.
Ach ja, Kerzen standen damals auch auf dem Garagenboden.
Es ist Pfingsten. Pfingsten ist das Fest des großen Unbekannten – des Heiligen Geistes. Schon Bertolt Brecht spottete: „An Pfingsten sind die Geschenke am kleinsten.“ Das Fest wird von vielen reduziert auf ein verlängertes Wochenende und Reisezeit, die ja nun trotz noch immer bestehenden Gefahren anscheinend wieder losgehen muss. (Haben Sie das über die Kreuzfahrtschiffe gelesen, die nur auf dem Meer fahren, weil sie keine Häfen anlaufen dürfen?) Schon der Name „Pfingsten“ bezeichnet nicht mehr als einen Termin. („Pentekoste“ bedeutet: der fünfzigste Tag – nach Ostern). Dabei erinnert Pfingsten an den großen Traum vom Miteinander aller Menschen.
Liebe Menschen in der Gemeinde und darüber hinaus!
Ich grüße Sie wieder von meinem Schreibtisch aus. Wir haben einen schönen Gottesdienst zum Pfingstsonntag gefeiert. Leider war das Wetter wieder nicht für einen Gottesdienst draußen geeignet. Aber das wird schon. Am nächsten Sonntag sind Sie herzlich eingeladen zu einem Gottesdienst um 17.00 Uhr. Diesen Gottesdienst wird Pastor Michael Szelinski mit Ihnen feiern, bei schönem Wetter draußen vor der Kirchentür.
Seien Sie Gott befohlen in dieser merkwürdigen Zeit und passen Sie bitte weiterhin auf sich und Ihren Nachbarn auf! Es ist noch nicht die Zeit der Entwarnung.
Sie wissen, wenn wir in der Kirchengemeinde etwas tun können, dann melden Sie sich bitte.
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unserer Kirchengemeinde sind selbstverständlich ansprechbar.
In seelsorgerlichen Angelegenheiten erreichen Sie mich jederzeit telefonisch unter 04322/4014.
Die Kirche ist tagsüber für Sie zur Einkehr und zum Gebet geöffnet.
Auch auf Instagram finden Sie uns jetzt. Dieses Medium wird von unserer Sekretärin Frau Tertel gepflegt.
Ich verbleibe mit den besten Wünschen
Ihr und Euer
Pastor
Henry Koop