Liebe Menschen in der Kirchengemeinde St. Johannis!

An den letzten beiden Sonntagen hätten wir Konfirmationen in unserer Kirche gefeiert. An den Sonntagen „Jubilate“ und „Kantate", den ersten Sonntagen in diesem Jahr im Mai, wollten wir feiern. Aus nah und fern wären Gäste gekommen, die Familien wären zu einem ganz besonderen Ereignis zusammen gekommen, zur Einsegnung der Konfirmanden. Wir hätten uns in der Kirche getroffen, die Gemeinde, die Gäste und die Konfirmanden selbstverständlich. Ein großes Fest, volles Haus, festliche Stimmung mit Chor, Orgel und Gesang. Schade, es war nicht so! Wie so vieles im Moment nicht so ist, wie es sonst immer war. Es verändert sich im Moment so einiges auch im kirchlichen Bereich. Lieb gewordenen Gewohnheiten, Zusammenkünfte aller Art, die nicht mehr vorbehaltlos stattfinden können, ganz besonders unsere Gottesdienste werden für die kommende Zeit nur unter besonderen Auflagen gefeiert werden können.

Unsere Landeskirche hat den Kirchengemeinden eine Handlungsempfehlung an die Hand gegeben, die sich natürlich an den Verordnungen des Landes und des Kreises ausrichtet. Das Abstandsgebot, die Hygienevorschriften und die Raumgröße spielen eine besondere Rolle. 10qm sollen für jeden Gottesdienstbesucher vorgehalten werden. Für unsere Kirche können 300 qm zugrunde gelegt werden. Also können 30 Personen sonntags in der Kirche sein. Die agierende Personen müssen abgezogen werden, so können 26 Menschen am Sonntag in die Kirche kommen. Mehr waren wir zu normalen Gottesdiensten zwar auch nur selten, dennoch wird es eine ganz andere Atmosphäre werden. Wir wollen sehen, wie wir das erleben.

Dieses Virus, das uns in den letzten Woche so zu schaffen gemacht hat und immer noch zu schaffen macht, hat unseren Blick verengt. Es hat uns die Weite genommen, die wir vorher einnehmen durften. Unsere Räume sind enger geworden, wir wurden angehalten zuhause zu bleiben, wir sollten nicht mehr reisen, keine Besuche machen, nicht bei Freunden, nicht bei Verwandten. Kinder und Jugendliche wurden zuhause unterrichtet, Erwachsene haben von zuhause aus gearbeitet. Als das Virus kam, wurde die weite Welt plötzlich eng, wurde sie uns genommen, weg - genommen. Wo sie uns genommen ist, die Weite, spüren wir, wie sehr wir sie brauchen. Und jetzt, wo Stück für Stück wieder zurückkehrt, was uns genommen wurde, ist die Ungeduld groß. Wann endlich ist wieder alles so, wie es war? Wir brauchen die Weite als Menschen, die wir in dieser Welt leben. Wir halten die Enge nicht aus. Raus soll es wieder gehen.

Wir gehen wieder raus, zum Himmelfahrtsfest! Der erste Gottesdienst nach langer Zeit soll nun am Himmelfahrtsfest gefeiert werden. In den letzten Jahren sind wir zu einem gemeinsamen Gottesdienst der drei evangelischen Kirchengemeinden zusammengekommen, in diesem Jahr geht das nicht.
Jeder Gottesdienstbesucher bekommt seinen eigenen Stuhl, den er im Abstand von 2 Metern um sich herum zum nächsten Stuhl aufstellt. Mund und Nase müssen bedeckt werden. Hygienevorschriften müssen eingehalten werden und es wird eine Teilnehmerliste geführt. Im Anschluss an den Gottesdienst wird es keinen Kaffee geben (schade !), aber wir tasten uns langsam voran. Jede Gemeinde soll erstmal ihren eigenen Himmelfahrtsgottesdienst feiern - vielleicht unter freiem Himmel, wenn das Wetter schön ist - unter der Weite des Himmel. Wir brauchen die Weite, wir brauchen den Himmel, wir brauchen das Leben.

So lässt es sich leben:

Wenn jeden Morgen, den Du wach wirst,
Dir ein Grund einfällt,
doch gerne aufzustehen;
wenn mittags Du Dir gönnst
den Moment des Innehaltens und Bedenkens,
was jetzt wirklich wichtig ist;
und wenn am Abend vor dem Schlafengehn
Du ein paar Dinge weißt,
für die Du dankbar bist.

Wenn immer öfter Du dabei
den Augenblick entdeckst
als Zeit,
am Leben Dich zu freuen
und JA zu sagen oder NEIN –
wenn Du so spüren kannst
das Glück zu leben.
Wenn auch in schweren Stunden
Dich das Vertrauen trägt:
Du bist gewollt und bleibst gehalten,
und unter Dir ist unsichtbar
ein Netz gespannt –

Bleib gut behütet!

„Ich freue mich und bin fröhlich über deine Güte, du stellst meine Füße auf weiten Raum.“
So heißt es im 31. Psalm. Ein Vers für jede Gelegenheit und für jede Beziehung. Dieser Vers atmet die Freiheit unseres Gottes, der uns auf einen weiten Raum stellt, der so viele Möglichkeiten bietet, der alles freisetzt, was einem zur Verfügung steht, der gefüllt werden kann, mit den Möglichkeiten und Fähigkeiten, den Gefühlen, die man füreinander hat, den Wünschen, den Hoffnungen, den Freuden und der Fröhlichkeit für sich und andere.
Dieses zu wissen, was schöneres kann es eigentlich nicht geben:„....du stellst meine Füße auf weiten Raum.“
Gott hat uns in die Verantwortung für die Welt gestellt und will uns mit seinem Angebot der Gnade ermutigen und ermuntern, uns in ihr zu bewähren und unser Leben zu leben, und zwar unter den Bedingungen, wie sie nun einmal sind. Das ist Ausdruck der Freiheit, die er uns lässt. Wir werden von ihm eben gerade nicht bevormundet, entmündigt und entmachtet.
Die Nachrichten, die wir hören, spiegeln nicht den Untergang der Welt wieder. Auch wenn mich dieses Virus erschreckt. Aber sie sind nicht Zeichen eines apokalyptischen Untergangs. Es wird nicht ständig alles schlechter.
Es sind Nachrichten über eine unerlöste Welt, die Gott auserwählt hat, trotz allem, ein Ort der Liebe zu werden.
Darum sollten uns die Nachrichten nicht lähmen und ermüden, nicht schrecken und nicht in Panik versetzen. Schon gar nicht sollten sie dazu verwendet werden, künstlich Panik und Schrecken zu verbreiten, um damit gefährliche, unmenschliche oder letztlich gewalttätige Politik durchzusetzen. Über die Gefahren einer Krise müssen wir reden, und dass der einzelne sie zu seinem Vorteil nutzen kann, erleben wir täglich in unserem Land, in Europa und eigentlich auf der ganzen Welt, soweit uns die Berichte darüber erreichen. Das ist betrüblich. Hier ist Wachsamkeit gefordert.
Aber auch Vertrauen ist gefordert in dieser Zeit:
Vertrauen in die Menschen, die sich redlich mühen in Politik und Wissenschaft, Vertrauen in die Erfahrungen derer, die sich in der Welt umsehen und auskennen. In gewisser Weise sind alle Verantwortlichen mehr oder weniger überfordert von dem, was es so in der Welt noch nicht gab. Auch die Verantwortlichen müssen vertrauen, dass ihre Haltung und ihre Pläne richtig sind.
Wir können Ansichten haben, Meinungen, wir können uns fortbilden – aber dann müssen wir vertrauen, dass nicht diese Zeit und ihre Enge für uns bereitet ist, sondern dass unsere Füße gestellt sind auf weiten Raum.

Liebe Menschen in unserer Gemeinde!

Wir stehen wieder vor einer ereignisreichen Woche. Wir werden sehen, was sie bringt. Von Tag zu Tag ändern sich die Bedingungen, unter denen wir momentan leben.
Ich hoffe, es geht Ihnen gut und ich wünsche Ihnen, dass Sie spüren, dass Sie getragen sind.

Wenn Sie etwas auf dem Herzen haben, gilt weiterhin: Die Mitarbeiter/ -innen der Kirchengemeinde sind selbstverständlich für Sie da. In seelsorgerlichen Angelegenheiten erreichen Sie mich jederzeit telefonisch unter 04322/4014.
Die Kirche ist tagsüber für Sie zum Gebet geöffnet.

Handeln Sie besonnen, bleiben Sie behütet und achten Sie auf Ihren Nachbarn!

Ihr Pastor

Henry Koop